Zeitgeist in Marken bringen
Marken altern und mit ihnen ihre Verpackungen. Der Alterungsprozess muss von Zeit zu Zeit umgekehrt, die Marke verjüngt werden. Gibt es dafür ein Erfolgsrezept auf Ebene der Verpackung? Nicht gerade ein Rezept, aber eine Vorgehensweise, die meist zum Erfolg führt, sagen Thomas Breitinger und Kerstin Gimenez, die beiden Inhaber der Agentur Brand Partner AG in Arlesheim.
Pack aktuell: Calanda, Caotina, Eichhof, Hug, Ovomaltine – das sind einige der Marken, denen Ihre Agentur in den letzten zwei Jahren einen neuen Verpackungs- und teils auch Markenauftritt gegeben hat. Was auffällt: es sind traditionsreiche Schweizer Marken und die Packaging Designs wirkten vor der Überarbeitung teils ziemlich angestaubt. Sehen Sie sich als Spezialisten für die Wiederbelebung von Schweizer Traditionsmarken?
Thomas Breitinger: Wir sehen uns als Spezialisten für die Schaffung, Schärfung oder Belebung von Markenidentitäten und deren Umsetzung auf der Ebene der Verpackung. Unsere Aufgabe war es in den aufgeführten Beispielen, das emotionale Potenzial, das diese Marken auszeichnet, dem Zeitgeist anzupassen. Das Herangehen ist bei einer Schweizer Traditionsmarke nicht anders als bei internationalen Marken, die wir ebenso betreuen. Auf Ebene der Verpackung werden die Emotionen, die Konsumenten mit einer Marke verbinden, durch Bilder, Farben, Logos und andere Symbole symbolisiert und aktiviert. Man muss diese Emotionen, die Konsumenten mit einer Marke verbinden, von Zeit zu Zeit in eine wieder zeitgemässe Bildsprache übersetzen, weil die alte Bildsprache nicht mehr dem Zeitgeist entspricht und von den Konsumenten deshalb nicht mehr richtig verstanden wird.
Sie sprechen von Emotionen. Was ist mit dem Nutzen, den Produkte stiften: Welche Rolle spielt das bei Repositionierungen von Marken und Relaunches von Verpackungen?
Kerstin Gimenez: In einer typischen Verkaufssituation haben Konsumenten heute meist eine sehr grosse Auswahl zwischen leistungsähnlichen Produkten. Ob ein Konsument ein Produkt kauft oder nicht, hängt nicht so sehr von der Produktleistung ab. Immer wenn Menschen die Wahl haben, tritt Emotion in Kraft. Wenn ich das weiss, muss ich herausfinden, auf welche Emotionen der Konsument anspricht, und mir dann überlegen, in welcher Form ich diese Emotion einfangen kann. Menschen sagen zwar vielfach, dass sie mit ihrer Ratio entscheiden. Dabei konstruiert die Ratio nur eine rationale Begründung für eine Entscheidung, die auf der emotionalen Ebene längst gefallen ist.
Und wie finden Sie heraus, welche Emotionen Konsumenten mit einer Marke verbinden?
Thomas Breitinger: Das weiss ein Konsument in der Regel gar nicht, weil Kaufentscheide eben zu 99 Prozent von Emotionen gesteuert sind. Auf die Frage "Was empfinden Sie bei dieser Marke" werden Sie keine brauchbare Antwort erhalten. Auch die Marktforschung stösst an Grenzen. Eine gute Quelle sind in der Regel die Personen, die in einem Unternehmen die Verantwortung für die Marke tragen. Wir gewinnen die Erkenntnisse meist aus einer Kombination des Wissens, das beim Kunden vorhanden ist, mit unserer eigenen Erfahrung.
Wie gehen Sie dabei vor?
Thomas Breitinger: Wir halten uns an das Modell einer Attribute-Pyramide mit den drei Stufen Akzeptanz, Vertrauen, Identifikation. Akzeptanz heisst, dass ein Konsument einer Marke grundsätzlich zutraut, ein Bedürfnis zu erfüllen. Konkret heisst das, dass ein Auto der Marke die Passagiere sicher und zuverlässig von A nach B bringt, dass der Service funktioniert und so weiter. Vertrauen heisst, dass ein Konsument einer Automarke aufgrund sachlich differenzierender Eigenschaften vertraut. Das kann zum Beispiel der überdurchschnittliche Komfort oder die Sicherheit sein, die Autos einer bestimmten Marke bieten. Akzeptanz und Vertrauen müssen gegeben sein, damit Konsumenten eine Marke überhaupt in Erwägung ziehen. Doch das reicht nach unserer festen Überzeugung nicht aus, um die Marke zu kaufen. Dazu braucht es Identifikation, das heisst, die Marke muss Eigenschaften haben, die sie emotional einzigartig macht und sie dadurch von anderen Marken differenziert. Zwei bekannte Automobilmarken tun dies wie folgt: die eine umschreibt ihre Identität mit der Aussage "Vorsprung durch Technik", die andere mit "Freude am Fahren". Beide Marken sind technologisch führend, fahraktiv und preislich vergleichbar. Trotzdem empfinden die meisten Konsumenten diese Marken als unterschiedlich. Rational ist dies kaum begründbar, emotional hingegen schon.
Kerstin Gimenez: Die Eigenschaften, die Identifikation schaffen, sind das Herz der Marke. Wir als Designer müssen wissen, was dieses Herz kann, was der Konsument von diesem Herz erwartet und wie man es in Szene setzt.
Marken dürften in der Regel mehr als eine Eigenschaft haben, die Identifikation stiften. Im Packaging Design muss man fokussieren.
Thomas Breitinger: Das Herausfiltern und Ordnen dessen, was den Kern, das Herz der Marke, ausmacht, ist ein oft aufwändiger Prozess. Wenn Gespräche mit den Markenverantwortlichen als Basis für die Festlegung nicht ausreichen, suchen wir auch das Gespräch mit Konsumenten, allerdings nicht in Form einer typischen Marktforschungsbefragung. Beim Relaunch einer Biermarke haben wir uns zum Beispiel in die Kneipen gesetzt, wo dieses Bier ausgeschenkt wird, und mit den Biertrinkern dort über die Marke gesprochen. Es war bemerkenswert, was wir dabei über das erfahren haben, was den emotionalen Wert der Marke ausmacht. Bei anderen Produkten können es auch Gespräche mit den eigenen Kindern und mit deren Freunden sein, um mehr über die emotionalen Wirkungen einer Marke herauszufinden. Die wahren Geheimnisse einer Marke findet man bei den Menschen, die sie lieben. Das gilt es dann mit den Markenverantwortlichen zu sichten und schriftlich festzulegen, was die Marke ausmacht. Man muss quasi die Identität der Marke auf einem Blatt zusammenfassen.
Wie sieht dieses Vorgehen aus?
Kerstin Gimenez: Aufgrund dieser Identität muss erst einmal zusammen mit dem Marketing ein kohärentes Wissen um die Marke herum aufgebaut werden. Es geht darum, dass jeder Beteiligte unter den festgelegten Begriffen das Gleiche versteht. Zudem wird die Positionierung nicht nur auf diesen Begriffen aufgebaut, sie wird auch visualisiert. Man muss zu den Begriffen die Bilder auswählen, die den jeweiligen Wert der Marke treffend visualisieren.
Für wieviele Ihrer Kunden haben Sie solche Identitäten und Positionierungen erstellt?
Thomas Breitinger: Die begrifflichen Übergänge zwischen Identität und Positionierung sind fliessend! In den letzten fünf Jahren wächst der Anteil stetig. Heute ist eine Aktualisierung der Identität oder Positionierung meistens Teil des Projektes. Mittlerweile für den grössten Teil, und der Anteil wächst. Es muss für eine solche Positionierung zwar erst Vorarbeit geleistet werden, bevor die Arbeit am eigentlichen Packaging Design starten kann. Aber wenn die Positionierung steht, wird sie zur Richtschnur und hilft, Schlaufen und Irrwege zu vermeiden. Sie lässt sich zudem auch in andern Disziplinen des heute üblichen 360-Grad-Marketings einsetzen. Das rechnet sich am Schluss, immer mehr Kunden sehen das so. Klar ist, dass eine solche Positionierung von Zeit zu Zeit nachgearbeitet und überprüft werden muss.
Wie kommen Sie von der Positionierung zum Packaging Design?
Kerstin Gimenez: Beim Positionieren haben wir erfasst, was an Markenwerten besteht, was die Marke emotional für die Konsumenten ausmacht, auch visuell. Bei einem Relaunch geht es darum, dieses Bestehende zeitgemäss weiterzuentwickeln. Ein festes Vorgehen gibt es ab dieser Phase nur bedingt. Ein Weg ist es, zu erfassen, welcher emotionale Wert der Marke aktuell für Konsumenten von besonderer Relevanz ist. Dann suchen wir nach einer bildlichen Umsetzung, die eine Beziehung zwischen diesem Relevanten und dem Konsumenten herstellt. Bis jetzt war Kompetenz in der Systematisierung gefragt, jetzt wird Kreativität und Intuition gebraucht. Die Ideen, die dabei entstehen, werden intern kritisch geprüft. Nicht alle Ideen funktionieren zum Beispiel für Konsumenten jeder Altersstufe. Wir haben in der Agentur deshalb auf eine gute Altersdurchmischung geachtet. Wir sind eine Drei-Generationen-Agentur und können diesen Check intern durchführen. So kristallisieren sich dann die tragfähigen Lösungen heraus, um im Packaging Design eine zeitgemässe Umsetzung der Positionierung zu erreichen.
Thomas Breitinger: Generell gilt: Wir gehen den Weg vom Briefing zum Packaging Design nicht, ohne dass zuerst eine saubere, systematische Positionierung der Marke erfolgt ist. Das bleibt nach unserer Erfahrung andernorts häufig aus. Erfolgt dieser Schritt nicht sauber, wird der nächste Schritt, die kreative Umsetzung in ein zeitgemässes Packaging Design, zu etwas Zufälligem. Aber eine Marke sauber zu positionieren, ist auch schwierig. Wir sagen, dass man Marken wie Menschen betrachten muss. Auch bei Menschen fällt es schwer, zu beschreiben, was dessen Wesen ausmacht. Zudem nimmt jeder den anderen etwas anders wahr. Die Erfahrung im Umgang mit Markenführung ist nach unserer Überzeugung deshalb die Basis, dass das systematische Positionieren auch in eine Identität mündet, das sich in praktisches Verpackungsdesign umsetzen lässt und nicht ein Blatt Papier bleibt.