Marken auf authentischen Kurs bringen: fünf Tipps aus der Praxis

Zu Brand-Authenticity gibt es viel Theorie und Expertise. Aber wie gelingt Authentizität in der praktischen Arbeit an und mit Marken? Kerstin Gimenez und Christine Günthardt von der BrandPartner AG teilen dazu ihre Einsichten und Er fahrungen.

Cristiano Ronaldo spielt viele Rollen, doch am authentischsten wirkte er 2020 an einer EM-Pressekonferenz. Mit verächtlicher Mimik und Gestik schob er zwei Coca-Cola-Flaschen beiseite und empfahl: «Trinkt Wasser!» Das Video ging viral und der Aktienkurs des Sponsors fiel kurzzeitig in den Keller. Andererseits tauchte ein alter Werbespot auf, in dem ein junger Ronaldo für den geschmähten Softdrink wirbt – und damit wären wir schon mitten im Thema: Wie schafft man es, auf authentischem Kurs zu sein?

1. Vergessen Sie Definitionen
Vor rund sechzig Jahren hatte das Oberste Gericht der USA zu entscheiden, ob ein bestimmter Film pornografisch sei. Das Urteil ist vergessen, aber die Bemerkung eines beteiligten Richters ist in die Geschichte eingegangen. Er sagte: «Ich kann Pornografie nicht definieren, aber ich weiss, was es ist, wenn ich sie sehe.» Ganz ähnlich verhält es sich mit der Authentizität. Es fällt schwer, sie zu definieren. Keine der vielen Definitionsvorschläge hat allgemeine Geltung. Gleichzeitig tappen wir in einer Begriffswolke von Synonymen wie «echt», «original», «ursprünglich», «aufrichtig», «stimmig», «unverfälscht», «natürlich», «glaubwürdig» und dergleichen mehr.

Trotz alledem haben wir eine ziemlich sichere Meinung, ob etwas authentisch oder unauthentisch sei, wenn wir es vor uns haben. Offenbar besitzen wir ein angeborenes Gespür für Authentisches. Und das Bemerkenswerte an diesem Sensorium ist seine Unabhängigkeit von unseren emotionalen und kognitiven Präferenzen. Wie wäre es sonst denkbar, dass viele, die Donald Trump verabscheuen, zugeben, dass seine Tweets etwas vom Authentischsten seien, was sie auf Twitter gelesen hätten? Unser Authentizitätsgespür leitet uns wie ein innerer Kompass. Seine Magnetnadel mag sich ablenken und beeinflussen lassen. Aber wenn sie frei ist, schwingt sie sich unfehlbar in Richtung Authentizität ein und kann sogar über die geballte Energie negativer Gefühle dominieren, wie zum Beispiel die Abneigung gegen Trump. Aus diesem Grunde käme es uns nie in den Sinn, einen Authentizitätsworkshop mit einer akademischen Definition zu beginnen und viel Theorie aufzufahren. Zielführender sind Anschauungsbeispiele und Analogien aus der Praxis.

2. Authentisch ist nicht das neue Nachhaltig
Ein Trend kommt selten allein. Manche Abhandlungen rücken die Authentizität so nah an die Nachhaltigkeit, dass die beiden Trends wie siamesische Zwillinge erscheinen oder in eins fallen. Authentisch sei das neue Nachhaltig. Es seien zwei Namen für ein und dasselbe. Jedoch in der Praxis sieht das anders aus. Authentizität und Nachhaltigkeit setzen verschiedenartige Akzente. Sie erzählen nicht zwangsläufig dieselbe Story. Die beiden Begriffe bauen vielmehr ein Spannungsfeld auf, das man sich in beide Richtungen zunutze machen kann. Authentizität verleiht der Nachhaltigkeit Tiefe. Sie kann einsichtig machen, dass ein Unternehmen immer schon oder schon sehr früh aus innerem Antrieb ökologisch und sozialverantwortlich unterwegs war und nicht erst unter äusserem Druck sein Fähnlein nach dem Wind der Nachhaltigkeitsziele hängt. Umgekehrt integrieren Nachhaltigkeitsziele die Authentizität in ein grösseres Ganzes: in den globalen Wandel der Konsumkultur vom Haben zum Sein. Authentische Markenprodukte werden nicht erworben, weil man sie haben muss, sondern weil sie bestätigen und ausdrücken, wie man selber sein möchte: ehrlich zu sich selber, stimmig in der Wahrnehmung seines Umfelds sowie verantwortlich gegenüber der Umwelt, dem Klima und den Generationen, die nachkommen. Authentizität und Nachhaltigkeit sind nicht dasselbe, aber gehören eng zusammen und sollen als zwei starke Zugpferde zusammenwirken.

3. Content is king
Was macht die apulische Küche authentisch? Ist es die Zubereitung nach überlieferten Originialrezepten alteingesessener apulischer Familien (das Wie) oder dass die Speisen nur mit Olivenöl, Gewürzen und sonstigen Zutaten aus Apulien zubereitet werden (das Was)? Am Ende läuft es auf einen Mix heraus. Aber darin kann man das Was und das Wie unterschiedlich gewichten. Manche Ausführungen zur authentischen Markenführung neigen sehr zum Wie. Sie erwecken den Eindruck, als ergäben sich Echtheit, Stimmigkeit und Glaubwürdigkeit aus der Anwendung methodischer Tricks und Kniffe. Gewiss spielen Methodik und Handwerk eine wichtige Rolle. Es ist ja keineswegs damit getan, Verfälschendes zu meiden und Angedichtetes zu beseitigen. Das Unauthentische wegzulassen, zaubert nicht automatisch das Authentische herbei. Authentizität ist im kreativen Prozess genauso zu fabrizieren wie ihr Gegenteil. Trifft dies zu, kann der wesentliche Unterschied nicht allein in der Methodik liegen. Er liegt auch sehr stark im Was. Wenn wir in einem Markenworkshop die Gretchenfrage stellen, fragen wir nach Content. Erfahrungsgemäss wird man dabei vor allem im Ursprung und in der Geschichte eines Unternehmens fündig. Und in seinen Produkten, den verarbeiteten Rohstoffen, im Umgang mit den Ressourcen usw.

Ein schönes Beispiel dafür ist die Marke Ovomaltine. Zu deren Authentizität mögen methodisch-formale Elemente wie Schriftzug, Farbklima, Appetite-Appeal usw. viel beitragen. Aber das Wesentliche liegt im darin vermittelten Was: im malzig-süssen Ovo-Geschmack, der sich über Konsumentengenerationen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Er macht die Ovomaltine einzigartig. Jedes Produkt der unterdessen weit verästelten Ovo-Familie bewahrt im Kern den Geschmack des ursprünglichen Aufbaugetränkes von anno 1904 nach der Rezeptur von Dr. Albert Wander. Andere Foodmarken deklinieren die Geschmackvarietäten, aber die Ovomaltine bleibt ihrer One-Taste-Strategie treu. Die ikonische Marke steht für den einzigartigen Geschmack, übertragen in die unterschiedlichsten Produktkategorien. Es lohnt sich bei jeder Marke, genau hinzuschauen und beharrlich nachzufragen. Früher oder später wird sich geeigneter Content enthüllen. Der Rest ist Methodik und Handwerk.

4. Authentisch ist mehr als Trend
Studien zeigen, wie sehr die Generation Y (Millennials) und deren Nachfolgegeneration Z (Zoomers) authentische Marken wertschätzen. Das macht die Authentizität zu einem solide verankerten Trend im kulturellen Wandel. Gleichzeitig ist die Sehnsucht nach echten, ehrlichen, ungekünstelten Marken weit mehr als ein Trend, Hype oder eine Mode. Weshalb sollte der CEO eines grünen Brands nicht in der Business-Class durch die Weltgeschichte düsen? Wohl kaum, weil das nicht im Trend liegt. Sondern weil sein Verhalten hundertprozentig mit seiner Unternehmensmarke übereinstimmen soll, will er seine Firma und seine Person vor dem Vorwurf der Unglaubwürdigkeit bewahren. Es genügt nicht, authentisch zu wirken. Authentizität muss bis ins Mark eines Unternehmens verinnerlicht und glaubwürdig vorgelebt werden. Dabei sollte uns klar sein: Noch kein Trend hat die Latte der Unternehmensethik so hoch gelegt wie die Authentizität. Höher noch als es die Nachhaltigkeit tut, die sich oft genug mit Öko-Labels und Klimaneutralität befriedigen lässt. Deswegen sind alle auf sehr ähnliche Weise nachhaltig. Man kopiert einander. Authentizität hingen verlangt etwas anderes, als einem Herdentrieb zu folgen. Authentisch kann jede Marke nur auf ihre je eigene Weise sein. Authentizität ist ein hoher Anspruch und eben deswegen eine Herausforderung.

5. Authentizität ist sperrig
Authentisch ist kein landläufiges Attribut wie «achtsam», «bodenständig» oder «mit Liebe gemacht», das wir einer Marke so einfach beilegen oder absprechen. Authentizität tanzt aus der Reihe unserer Diagramme und Denkschubladen. Sie kann sperrig und schwierig sein. Aber gerade dies macht es so spannend. Die tiefgründigsten, kontroversesten Gespräche in Markenworkshops entzünden sich regelmässig an der Authentizitätsfrage. Sie berührt oft die Problemzonen der Markenführung, den wunden Punkt der Markenpflege. Sich dem zu stellen, braucht Grösse.

Authentizität ist unsere Passion
Als wir 2006 als BrandPartner anfingen, war im Marketing von Authentizität noch kaum die Rede. Aber sie war schon immer unser Credo: «Wir kreieren Identität.» Zur Identität gehört, dass wir das spezifische So-und-nicht-anders-Sein einer Marke verbal, visuell und narrativ präzise fassen. Es dann stimmig und ungekünstelt erlebbar zu machen, ist das Authentitätsziel. Authentizität und Identität sind die zwei Seiten einer Medaille. Gerne prüfen wir mit Ihnen in einem gemeinsamen Kennenlern-Workshop, wie authentisch sich Ihre Marke im Marktumfeld bewegt. Dabei schöpfen wir aus der ganzen Erfahrung, die wir als führende Schweizer Agentur für Brand-Design und Packaging-Design mitbringen. Trifft das Ihren Geschmack? Dann freuen wir uns auf die Challenge!