Brand & Packaging Design Case Story: Die Zukunft der Volg Eigenmarke

Die Volg Konsumwaren AG und die Agentur BrandPartner haben gemeinsam die Volg Eigenmarke überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht. Philipp Zgraggen, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Volg, und Thomas Breitinger, Senior Brand Strategy Consultant bei BrandPartner, halten Rückschau auf das gemeinsame Projekt.

Text: Thomas Breitinger und Philipp Zgraggen
Bilder: BrandPartner AG

Eigenmarken haben Tradition bei Volg, sie existieren seit Jahrzenten. Vor gut 20 Jahren wurde die Volg Eigenmarke ins Leben gerufen, wie man sie heute kennt. Über die Jahre entstand ein Sortiment von über 150 Produkten für den täglichen Bedarf der Dorfbevölkerung. Das bewährte Design blieb während dieser Zeit grundsätzlich unangetastet, aus gestalterischer Sicht eine halbe Ewigkeit. Als Philipp Zgraggen vor 3 ½ Jahren von Aldi Suisse zu Volg stiess, fiel ihm das dem Zeitgeist entwichene Design natürlich auf. Während seiner über 13 Jahre langen Tätigkeit bei unterschiedlichen Einheiten von Aldi Süd hatte Philipp Zgraggen sich intensiv mit den Eigenschaften von Eigenmarken beschäftigt. In dieser Zeit wurden von ihm einige Marken entwickelt, überarbeitet und eigenhändig geführt. Viele dieser wertvollen Erfahrungen flossen nun mit in die Überarbeitung der neuen Volg Eigenmarke ein.

Geringe Verbindung zur Volg Markenwelt. Bisheriges Design 2004 bis 2020. (Bild Volg)
(2) Geringe Verbindung zur Volg Markenwelt. Bisheriges Design 2004 bis 2020. (Bild Volg)


Das Wettbewerbs-Briefing

Im Spätherbst 2019 beauftragte Volg fünf Agenturen mit der Bitte um Ideen für das Re-Design der Volg Eigenmarke. Volg schickte die Agenturen mit folgendem Auftrag ins Rennen:

  • Der Gesamteindruck soll klar, eindeutig, unkompliziert sein und Freude machen
  • Klare Verbesserung der Wahrnehmung im Regal
  • Sehr gute Qualität zu einem attraktiven Preis vermitteln
  • Klare Wiedererkennung über alle Kategorien hinweg (im Sinne einer Dachmarke)
  • Konsumenten erkennen die Volg Eigenmarke auf den ersten Blick
  • Mehrwerte klar, eindeutig, an gleicher Stelle sichtbar machen
  • Das Design muss auf unterschiedliche Verpackungsformate und -Materialien übertragbar sein
  • Ausarbeitung eines Styleguides im Sinne einer Anleitung für die Designerstellung


Thomas Breitinger:

Die Erwartungen an das neue Design waren eindeutig umschrieben. Zur Designgestaltung selber gab das Briefing keine Hinweise. Die klassische Frage «Was lassen wir weg und was nehmen wir mit?», sollte von den Agenturen beurteilt werden. Wir taten dies, indem wir die Regale und die Sortimente von Volg und der Mitbewerber akribisch analysierten. Regalbilder und Produktmuster ergänzten das Briefing und bildeten die Basis für die Festlegung der designrelevanten Leitplanken. Diese wurden im Team besprochen, interpretiert und verinnerlicht. Erst danach startete die Designarbeit. Denn: Ist der Designprozess erst mal in Gang gekommen, lässt er sich nicht beliebig unterbrechen oder gar umleiten. Designarbeit ist ein creative flow, ein fliessender Prozess. Unterbrechungen bedeuten nicht nur Zeitverlust und
Zusatzkosten, sondern führen auch zu Motivationsverlusten. Wettbewerbsarbeit vergleiche ich gerne mit der Erstbesteigung eines Berges. Selbst für ein erfahrenes Team ist eine seriöse Vorbereitung unabdingbar. Jeder neue Berg birgt seine eigenen Herausforderungen:

  • Welche Routen kommen in Frage?
  • Welche Route verspricht den effizientesten Aufstieg?
  • Wer übernimmt welche Aufgabe?
  • Sind andere Seilschaften am Berg zu erwarten?
  • Welche Erfahrungen können wir nutzen aus früheren Missionen?
  • Wer übernimmt die Gesamtleitung und hat dann auch das letzte Wort?

Sind die Entscheidungen gefällt, kann der Wettlauf beginnen. Je grösser die Identifikation mit dem Ziel, desto grösser die Motivation des Teams, desto grösser die Erfolgschancen der Mission! Zurück zum Volg Projekt. Das alte Design hatte keine Gemeinsamkeiten mit der Volg Markenwelt. War das Absicht oder war das eine Unterlassungssünde? Eigenmarken haben eigentlich immer die Aufgabe, ihre Kanal-Zugehörigkeit zu unterstreichen. Dadurch grenzen sie sich von Markenprodukten ab. Ein wichtiges Element in der
Sortimentsführung! Unsere Designstrategie lautete: Entwicklung eines neuen Verpackungsdesigns mit starker Anbindung an die Volg Markenidentität (Corporate Identity).

Volg Attribute-Pyramide in Worten (Chart BrandPartner AG)
(3) Volg Attribute-Pyramide in Worten (Chart BrandPartner AG)
Volg-Identität in Bildern (Chart BrandPartner AG)
(4) Volg-Identität in Bildern (Chart BrandPartner AG)
Welche Balance braucht das Design? (Chart BrandPartner AG)
(5) Welche Balance braucht das Design? (Chart BrandPartner AG)
Entscheidungshilfe für die Jury (Chart BrandPartner AG)
(6) Entscheidungshilfe für die Jury (Chart BrandPartner AG)


Die Volg Eigenmarke umfasst über 150 Artikel des täglichen Bedarfes: Reis, Mehl, Bier, Eistee und Kaffee, aber auch Dusch-, Wasch- und Reinigungsmittel. Für jede einzelne Kategorie muss das Design eine überzeugende Lösung finden. Man sagt deshalb auch: Das Design benötigt eine «gesunde Breitenwirkung». Gleichzeitig muss das Design stringent über alle Kategorien funktionieren. Das Herausarbeiten einer stimmigen Design-Balance zwischen Kategorieanforderungen und Volg Markenidentität verlangt nach Erfahrung und Fingerspitzengefühl!

Was noch? Die Auszeichnung von Mehrwerten, deren Ziel es ist, spezifische Produktleistungen hervorzuheben, ist essentiell. Deren Nutzen soll vom Betrachter rasch erkannt und verstanden werden. Mindestens in zwei Landessprachen. Häufig fehlt der Platz dafür. Als Kompromiss haben sich Begriffe etabliert, die in allen Sprachregionen verstanden werden, z.B. Chocolat, Latte Macchiato, Camembert oder Prosecco. Manchmal muss unsere fünfte Landessprache, das allgegenwärtige Englisch, herbeigezogen werden, zum Beispiel bei Ice Tea.

Philipp Zgraggen:
Die Basis der Volg-Markenwelt ist das blaue Rechteck mit dem gelben Volg Schriftzug. Die Kombination blau–gelb ist auch zentrales Element in unseren Werbekampagnen. Im Sinne dieses Aspektes integrierter Kommunikation war es mir wichtig, dass wir auch über unsere Eigenmarke dieses Erkennungsmerkmal vermitteln können. Jedoch kommt es auch hier, wie so oft, auf die Dosierung an: Nicht zu viel und nicht zu wenig. Eingebettet in ein ansprechendes Design mit klaren Heraushebungen für Mehrwerte wie nachhaltige Produktion oder Herkunft Schweiz, welche für unsere Eigenmarke zentral sind.

Wie viel Design ist sinnvoll?
Thomas Breitinger:
So unwahrscheinlich, dass fünf Konsumenten das gleiche Brot oder den gleichen Käse mögen, so unwahrscheinlich ist es, dass ein einziges Design die perfekte Antwort auf das Briefing liefert. Also entwickelt die Agentur ein Spektrum von 4 bis 6 Konzepten, manchmal ergänzt durch Varianten. Bei fünf Agenturen sind das schnell 30 Entwürfe, die beurteilt sein wollen. Wie geht die Volg Jury damit um? Keine einfache Aufgabe! Also entwickelten wir eine Entscheidungshilfe für unsere Designkonzepte. Wir definierten zwei Kriterien: 1. Kategorie-Sprache, 2. Volg Markenidentität. Auf dem Strahl zwischen den Kriterien ordneten wir unsere Designs ein. Damit schufen wir eine Orientierungs- und Entscheidungslogik für die Jury. (Bild 5 und 6)

Philipp Zgraggen:
Viele Designideen sind gut, begeistern schnell, sind aber in einer zweiten Betrachtung im Gesamteindruck nicht stimmig oder nicht stringent über die verschiedenen Kategorien umsetzbar. Oft wird dies erst bei der Ausgestaltung weiterer Artikel ersichtlich. Der systematische Ansatz von BrandPartner (Bild 6) vermittelte sehr konkrete Überlegungen zu den einzelnen Abstufungen der Designs und ihrer Elemente. Es hat die Beurteilung der Designs inkl. Einbezug der Volg-Marke deutlich vereinfacht. Einzelne Design-Elemente konnten unkompliziert ausgetauscht werden und schnell zu einem stimmigen Rohentwurf zusammengefügt werden.

Genügt überzeugende Designarbeit für den Gewinn eines Wettbewerbes?
Thomas Breitinger:

In aller Regel sucht ein Auftraggeber nicht nur nach einer guten Designlösung, sondern er sucht auch nach dem richtigen Partner. Da macht es Sinn, dass man zueinander passt; dass man die gleiche Sprache spricht. Ist das selbstverständlich? Nein, natürlich nicht. In die Umsetzung waren seitens Volg 10 Product Manager involviert. Für sie bedeutete das Re-Design eine Arbeit zusätzlich zum Tagesgeschäft. Zudem setzten sich einige PMs zum erstem Mal mit einer solchen Arbeit auseinander. Da ist es von Vorteil, wenn die Agentur Erfahrung mit der Umsetzung komplexer Projekte mitbringt. Für Volg war eine professionelle, unterstützende Betreuung wichtig. Beispiel? Die Agentur stellte ein praxiserprobtes Briefing-Dokument mit allen wichtigen Checkpoints zur Verfügung.

Neben dem Faktor Mensch geht es immer auch um Kosten:

  • Was kostet die Weiterentwicklung des Designs?
  • Was kostet das Design für 1 Produkt? Was kostet eine Serie von 5 Produkten?
  • Wie viele Korrektur- und Anpassungsschlaufen sind eingerechnet?
  • Wer übernimmt die Kosten, wenn in letzter Minute neue Stanzpläne auftauchen?
  • Welches Budget steht für den Style Guide zur Verfügung?

Weitere Aspekte:

  • Umsichtige Planung: Was können Kunde und Agentur in welchem Zeitraum stemmen?
  • Projektteam: Je kleiner, desto besser.
  • Entscheidungskompetenz im Team.
  • Ist alles parat? Texte, Nährwertangaben, Mehrwerte, Stanzpläne, Produktmuster usw.

And the Oscar goes to?
Philipp Zgraggen:

Das Verständnis von Volg ist ein frisches, freundliches, kompetentes und authentisches Auftreten. Wir begrüssen und betreuen täglich in rund 600 Volg Verkaufsstellen unsere zahlreichen Kunden, welche unser attraktives Sortiment für den täglichen Bedarf mit unseren Eigenmarken sehr schätzen. Diese emotionsgeladenen Eigenmarken geniessen neben den zahlreichen Markenartikeln ein hohes Vertrauen, sind äusserst beliebt und verzeichnen einen überdurchschnittlichen Umsatzanteil. Bei einer derart markanten Weiterentwicklung darf man im Rahmen der eigenen Vorbereitung, der Wahl des Designs sowie des Umsetzungspartners nichts dem Zufall überlassen. Bei allen eingeladenen Agenturen konnte man ein hohes Mass an Kreativität und fundiertem Produktwissen erkennen. Aber: gutes Handwerk und Ideen sind noch längst kein Entscheid für den Auftrag. Es gilt den Auftrag, den Kunden und sein Umfeld wirklich zu verstehen. Die Ansprüche an die Zusammenarbeit während der Entwicklung und Implementation einer Marke in einem solch mehrjährigen Prozess gehen weit darüber hinaus. Die Festlegung der zugrunde liegenden Elemente verlangt ein hohes Mass an Feinarbeit an zahlreichen Details. Das mehrfache Überarbeiten von Entwürfen sowie das feine Herausschälen einzelner Design- und Konzeptelemente erfordern ein hohes und umfassendes Sachverständnis. Thomas Breitinger und sein Team haben die Volg-Jury am Ende mit ihrem Verständnis für unsere Markenpositionierung, einem klar strukturierten Fachwissen (Methodik und Design-Systematik), langjähriger Erfahrung, ihrer Kreativität sowie einer hoher Adaptionsfähigkeit in der Konzeption (ohne den roten Faden zu verlieren) überzeugt. Die zuverlässige, unkomplizierte Umsetzung zu einem fairen Preis war die Konsequenz aus der fundierten Vorbereitung auf beiden Seiten.


Philipp Zgraggen

1973 in Bern geboren und in einem internationalen Umfeld aufgewachsen. Nach dem
Abschluss Universität St. Gallen (BWL, lic. oec. HSG) und einem Abstecher in den Finanz- und Start-Up Bereich in Zürich schloss er sich Ende 2004 der damals auf dem Papier existierenden Aldi Suisse an. Eine kurze Konzeptions- und eine sieben Jahre lange Aufbauphase folgte, bevor es ihn 2012 für knapp drei Jahre zu Aldi Inc. in die USA zog. In der Funktion des
Landeskoordinators Zentraleinkauf und Mitglied der Geschäftsleitung Aldi Suisse kehrte er 2015 zurück, bevor er 2018 zur Volg Konsumwaren AG wechselte. Als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Volg Konsumwaren AG ist er ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung der fenaco Genossenschaft und verantwortet dort die Division Detailhandel.
www.volg.ch, www.fenaco.com


Thomas Breitinger

1960 in Zürich geboren und bilingue aufgewachsen. Er blickt auf über zwanzig Jahre
Erfahrung im Konsumgüterbereich zurück. In seinen Funktionen leitete er Projekte in den Bereichen Markenführung, Strategie, Positionierung und Verkauf, unter anderem während zehn Jahren für Nestlé Schweiz. Seit 2006 ist Thomas Breitinger Senior Brand Strategy Consultant und Mitglied der Geschäftsleitung der Agentur BrandPartner AG in Basel mit nationalen und internationalen Kunden.
www.brand-partner.com