Acht Fragen an Ivo Gaube

Was gibt es Schöneres, als mit einem Glas Prosecco, Champagner oder Cava die kleinen und grossen Momente des Lebens zu feiern? Ivo Gaube, Geschäftsführer von Henkell Freixenet, gibt uns einen Einblick in die Welt der «Bubbles».

Interview: Thomas Breitinger, Gesch.ftsführer BrandPartner AG
Bilder: zVg

Herr Gaube, wann geniessen Sie eine «copa de cava» oder ein «bicchiere di prosecco»?

Es gibt unzählige kleine und grosse Momente, um mit einem Glas Cava oder Prosecco anzustossen und das Leben zu feiern. Die Produktkategorie ist sehr positiv besetzt, und ob es eine bestandene Prüfung, einen Geburtstag oder eine Hochzeit zu feiern gibt, ein Glas Schaumwein ist immer ein beliebter Begleiter.

Sie starteten als Marketingberater bei A. C. Nielsen, wechselten dann für drei Jahre zu Coca-Cola und für weitere vier Jahre zu Storck. 2004 starteten Sie als Geschäftsführer bei Freixenet Schweiz. Was macht Schaumwein so faszinierend?

Im Anschluss an eine Auszeit 2004 erhielt ich den Anruf eines Headhunters, verbunden mit der Frage, ob ich Lust hätte, eine Vertriebsgesellschaft im Getränkebereich aufzubauen. Ich fragte ihn, wo die Gesellschaft ihren Sitz haben würde. Die Antwort lautete: Das dürfen Sie selber entscheiden. Einige Gesprächsrunden später erhielt ich die Einladung an den Freixenet-Sitz in Katalonien, in der Nähe von Barcelona. Dort spürte ich den direkten und klaren Spirit eines Familienunternehmens. In wenigen Worten ausgedrückt: klare Ziele und eine lange Leine, also viel Eigenverantwortung. Wir einigten uns. Ich flog nach Hause und begann mit der Suche nach Büroräumlichkeiten in Zürich. Seither bin ich und fühle ich mich als Unternehmer.

Und wie ging es weiter?

Es ging darum, eine möglichst effiziente Struktur aufzubauen, um den Schweizer Markt optimal zu betreuen. Der Hauptanteil unserer Marken wird über den Lebensmitteldetailhandel vertrieben. Die Zentralisierung und die hohe Konzentration im Handel haben es uns ermöglicht, mit einem schlanken Team an den Start zu gehen. Neben unseren bekannten Marken wie Freixenet bieten wir auch viele andere Schaum- und Stillweine an, die an die Gastronomie oder den Getränkefachhandel verkauft werden. Diese vermarkten wir nicht selbst über unsere Vertriebsgesellschaft, sondern über Distributoren, die unsere Produkte mit eigenen Leuten und auf eigene Rechnung vertreiben. Über die Jahre hat sich unser Aufgabengebiet immer mehr erweitert, und es ist die Verantwortung für andere Länder wie Österreich, Slowenien, Italien und die Türkei dazugekommen. Das Geschäft in diesen Ländern wurde davor ausschliesslich über lokale Distributoren abgewickelt, die wir von der Schweiz aus führten.

Im Jahr 2018 kam dann der Zusammenschluss von Henkell und Freixenet. Welche Auswirkungen hatte die Übernahme auf Sie?

Es war ein Meilenstein in der Geschichte von Henkell und von Freixenet. Es gibt wenige Schaumweinproduzenten dieser Grösse, und mit dem Zusammenschluss ist Henkell Freixenet zum weltweit grössten Anbieter von Schaumweinen avanciert. Wir sind der einzige Schaumweinproduzent, der alle Schaumweingattungen selber herstellt und so auf ein entsprechend grosses Know-how zurückgreifen kann. Dies unterstreicht unsere Kompetenz, von der Traube bis zum Produkt das gesamte Fachwissen in allen Segmenten zu haben. Für die nächsten Jahre haben wir uns vorgenommen, weltweit für jedes zehnte Glas Schaumwein zu stehen, und wir sind auf gutem Weg, das zu erreichen. So haben wir 2021 das erste Mal in der Geschichte von Freixenet über hundert Millionen Flaschen der Marke Freixenet weltweit verkauft. Neben Freixenet haben wir mit Mionetto den weltweit am meisten verkauften Prosecco im Portfolio und sind mit Wodka Gorbatschow und Batida de Coco auch im Spirituosensegment gut vertreten.

In vielen Ländern gab es Niederlassungen von Henkell & Co. und von Freixenet, die zusammengelegt werden mussten. So auch in der Schweiz, wo wir uns entschlossen haben, die beiden Geschäfte am Sitz von Freixenet in Zürich zu vereinen. Mit diesem Zusammenschluss wurde unser Sortiment entscheidend vergrössert, und neben Schauweinmarken wie Henkell, Söhnlein, Mionetto und Freixenet zählen nun auch Spirituosen wie Wodka Gorbatschow und Batida de Coco zu unserem Portfolio.

Werfen wir einen Blick auf den Schaumweinmarkt. Was sind die aktuellen Trends, und was macht die Marken von Henkell Freixenet erfolgreich?

Das Prosecco-Segment ist nach wie vor auf der Überholspur, und Prosecco boomt in praktisch allen Ländern, wo er verkauft wird. Zweistellige Zuwachsraten sind seit Jahren die Normalität, und wenn man den Marktforschern Glauben schenkt, wird sich dieser Trend auch nicht so schnell ändern. In der Schweiz, wo mittlerweile mehr als jedes zweite Glas Schaumwein ein Prosecco ist, ist das nicht anders. Der Trend zu Rosé-Schaumweinen ist schon länger zu beobachten. Die Zulassung, die es ermöglicht, dass unter dem Namen Prosecco auch Rosé angeboten werden kann, hat bewirkt, dass der Rosé sogar noch zusätzlichen Schwung erhalten hat. Auch in der Schweiz ist der Rosé-Schaumwein angekommen. In unserem Portfolio haben wir mehrere sehr erfolgreiche Rosé-Schaumweine wie zum Beispiel den Freixenet Italian Rosé in der unverkennbaren Kristallflasche oder den DOC Premium Rosé Prosecco aus dem Hause Mionetto.

Einen weiteren Trend sehen wir im massvollen Genuss. Das Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil fördert den Absatz von Schaumweinen ohne Alkohol. Henkell Freixenet ist auch in diesem Segment mit mehreren alkoholfreien Varianten bestens aufgestellt.

Kommunikation und Innovationen: Wie kommuniziert Henkell Freixenet seine Marken in digitalen Zeiten: klassisch oder online? Arbeiten Sie mit Testimonials oder Influencern? Und welchen Stellenwert haben Innovationen?

Der Werbemarkt wird zunehmend fragmentierter. Damit wir alle Konsumenten erreichen, streben wir eine ausgewogene Mediaplanung für unsere Marken an. Will heissen, wir bedienen die volle Klaviatur, von klassisch über digital bis hin zu Influencer-Kampagnen. Zudem lancieren wir gerade unseren eigenen E-Commerce-Shop. Mit dem Trend hinsichtlich Eigenmarken und dem Eintritt von Aldi und Lidl kamen viele klassische Marken unter Druck. Nur starke Marken, die einen Mehrwert bieten, können in einem solchen Umfeld bestehen. Das haben wir auch mit unserer Leadermarke Freixenet zu spüren bekommen. Wir setzen darum seit Jahren sehr erfolgreich auf eine Zweisäulenstrategie, mit der wir unsere Marken unterstützen. Die erste Säule, Emotion and Expertise, wird von einer klaren und emotionalen Konsumentensprache geprägt. Dabei legen wir den Fokus auf unseren Claim «Celebrate Life», der bei allen Aktivitäten im Zentrum steht. Neben den Emotionen wird auch unsere langjährige Expertise in die Kommunikation eingebunden – über hundert Jahre Erfahrung und Passion für Schaumweine von höchster Qualität.

Die zweite Säule basiert auf Innovation, mit dem Ziel, neue Konsummomente zu entdecken und dazu die richtigen Produkte zu entwickeln. Mit dieser Strategie konnten wir unsere Marktleader-Position sehr erfolgreich halten und dank vieler erfolgreicher Innovationen sogar weiter ausbauen. Wir wachsen mit der Marke Freixenet derzeit im zweistelligen Bereich! Als gutes Beispiel ist unsere sehr erfolgreiche Einführung von Freixenet-Prosecco zu erwähnen. Es war das erste Mal, dass sich ein grosser Produzent mit einer bekannten Marke auf fremdes Terrain vorgewagt hat und dort sehr erfolgreich lokalen Schaumwein produziert. Gemeint ist hier Freixenet, der grösste Produzent von spanischem Cava, der nach Italien ging und unter der Cava-Marke Freixenet anfing, Prosecco zu produzieren und diesen weltweit erfolgreich zu vermarkten.

Hebt die Migros das Alkoholverbot auf? Welche Entwicklung erwarten Sie? Und belebt dies den Markt, oder wird der Konsum nur auf mehr Regalfläche verteilt?

Ob die Migros das Alkoholverbot aufheben wird, werden wir bald sehen. Für uns wäre es natürlich eine willkommene Möglichkeit, auch den Migros-Konsumenten unsere Marken anzubieten. Als weltweit führender Anbieter von Schaumweinen haben wir Zugriff auf eine enorme Vielfalt von Marken, und da wäre sicherlich etwas dabei, womit wir den Migros-Konsumenten ein ideales Angebot machen könnten.

Können Sie einen Blick in die Zukunft werfen? Welche Herausforderungen warten?

Die zunehmende Digitalisierung ist auch für uns eine Herausforderung. Unser Markt ist zwar noch stark stationär getrieben, aber wir wissen, dass sich der Trend zu Onlineshopping auch im Bereich Wein fortsetzt. Wir haben uns deshalb entschlossen, den Konsumenten unsere Marken künftig auch via eigenen Onlineshop anzubieten. Eine weitere Herausforderung stellt die Fragmentierung des Werbemarkts dar. Wie erreichen wir unsere bestehenden und potenziellen Konsumenten am besten und wo? Diese und viele andere Fragen werden uns auch in Zukunft beschäftigen, und fundierte Antworten sind gefragt, sodass unsere Marken auch weiterhin erfolgreich am Markt bestehen können.


Thomas Breitinger

Thomas Breitinger ist 1960 geboren und bilingue (deutsch/französisch). Er blickt auf über zwanzig Jahre Erfahrung im Konsumgüterbereich zurück. In seinen Funktionen leitete er Projekte in den

Bereichen Markenführung, Strategie, Positionierung und Verkauf, unter anderem während zehn Jahren für Nestlé Schweiz. Seit 2006 ist Thomas Breitinger Inhaber und Geschäftsführer der Agentur BrandPartner AG mit nationalen und internationalen Kunden.