650 000 Artikel, 150 Länder, 1 Design
Scheibenwischerblätter, Ölfilter, Zündkerzen und Co. – Die Robert Bosch GmbH ist einer der grössten Anbieter für Autoersatzteile weltweit. Jetzt hat der Konzern das Packaging Design für sämtliche Autoersatz- und Zubehörteile global vereinheitlicht. Ein Gespräch mit dem für Packaging verantwortlichen Bosch-Experten Achim Schwab sowie Thomas Breitinger und Kerstin Gimenez von der beauftragten Agentur Brand Partner AG.
Mehr als 650 000 verschiedene Autoersatz- und Zubehörteile, die in 100 Standorten sowie bei diversen Zulieferanten hergestellt und in über 150 Ländern weltweit angeboten werden: Im Bosch-Geschäftsbereich Automotive Aftermarket ist Komplexität der Normalfall. Wie Bosch die damit verbundenen Anforderungen in Produktion, Logistik und Kommunikation meistert, zeigt sich auch am Packaging-Design. In einem dreijährigen Projekt wurde das Packaging-Design für alle Artikel global vereinheitlicht, die über den Handel und über Werkstätten verkauft werden.
Pack aktuell: Bosch ist einer der ältesten Hersteller von Autozubehör und verkauft diese Produkte seit über 100 Jahren international. Warum hat dieser globale Konzern erst jetzt das Packaging-Design für diese Produkte vereinheitlicht, die am Ursprung der Marke stehen?
Achim Schwab: Die Bosch-Welt ist beides: dezentral und global. Die einzelnen Regionen haben eigene Sortimente und diese waren vielfach auf die jeweilige Region ausgerichtet. Eine regionale Einheitlichkeit der Verpackung war stets gegeben, jedoch keine globale Einheitlichkeit. Doch der Warenverkehr zwischen den Regionen ist immer grösser geworden. Zudem wurde 2005 das CD, das Corporate Design der Gruppe, weiterentwickelt. Ziel war es, das Profil der Marke Bosch zu schärfen. Dazu wurde der Slogan «Technik fürs Leben» eingeführt. Durch die Veränderung des CD wurde eine Anpassung der Verpackungen nötig. Wir haben diese notwendige Anpassung genutzt, um in unserem Geschäftsbereich das ganze Packaging-Design zu vereinheitlichen.
Der Anschub kam von oben, der Rahmen ist vorgegeben. Wie eigenständig darf ein Design auf Ebene eines Bereichs wie Automotive Aftermarket überhaupt sein?
Achim Schwab: Bei der Farbwelt, bei den Schriften, bei der Wortbildmarke bestehen Vorgaben, die einzuhalten sind. Doch in diesem Rahmen haben wir bei der Verpackungsgestaltung viele Freiheiten, die wir auch brauchen, um regionale Bedürfnisse auch weiterhin zu be- dienen bei gleichzeitig globalem Erscheinungsbild.
Kerstin Gimenez: Bei den Autozubehörteilen ist die Verpackung ein Hauptträger der Markenbotschaft. Und dieser ‹Träger› ist nicht einheitlich: Es gibt transparente, runde, eckige und Sammelpackungen, die mehrere Einzelpackungen enthalten. Dazu kommen Produkte wie Batterien, die nur etikettiert oder mit einem Reiter versehen sind. Die verwendeten Verpackungen haben unterschiedliche Proportionen. Die vorgegebenen CD-Elemente müssen auf allen diesen Verpackungen den Vorgaben entsprechend eingesetzt werden. Es ist deshalb sinnvoll, wenn das Packaging-Design unter Berücksichtigung der vorgegebenen Elemente von den betroffenen Bereichen wie Automotive Aftermarket selbst entwickelt und auf die spezifischen Bedürfnisse ausgearbeitet wird.
Was waren die Ziele des Relaunches?
Thomas Breitinger: Es geht um das Packaging-Design für eine internationale Qualitätsmarke und deren welt- weiten Auftritt im Handel. Wie wird deutsche Wertarbeit am Regal erlebbar? Wie setzen wir die Marke im Zusammenspiel mit Bild und Text ein? Vielsprachigkeit war eine grosse Herausforderung: also die Vermittlung komplexer Inhalte durch Bilder, Illustrationen oder Piktogramme anstelle Text. Neben inhaltlichen Aufgaben galt es, die Brücke zur Corporate Identity zu schlagen: die Wirkung des Verpackungsdesign in Einklang mit allen anderen visuellen Touchpoints zu bringen, Stichwort «konsistente Gesamtwirkung von Marken». Eine weitere Aufgabe war die Strukturierung des Sortimentes mit dem Ziel, unterschiedliche Kundengruppen möglichst eindeutig anzusprechen.
Achim Schwab: Das Konzept wurde daher als Mehrlinienkonzept aufgebaut aus einer Werkstattlinie und einer Endverbraucherlinie mit ihrerseits drei Unterlinien. Als verbindendes Element dient ein weisses Band mit dem roten Markenlogo. Für Verpackungen, die ausschliesslich in Werkstätten gehen, wurde die Corporate-Farbe Blau von Bosch gewählt. Das Design aus blauer Grundfarbe und weissem Band ist als eine Art Streudruck realisiert, produktspezifische Informationen werden über Etiketten vermittelt. Die Corporate-Farbe Blau und das weisse Band ergeben auch in einer Werkstattumgebung einen starken Wiedererkennungseffekt. Die Verpackungen für den Verkauf an Endverbraucher müssen emotionaler sein. Sie sind deshalb mit einem Bild versehen. Unterschieden werden drei Linien für unterschiedliche Konsumentengruppen und Ansprüche: die Standardlinie High Performance mit der Corporate-Farbe Blau als Basisfarbe, die Linie Premium Performance mit der Basisfarbe Schwarz und eine Basislinie in der Farbe Grau. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Produktabbildung. Die verpackten Produkte sind jeweils hyperrealistisch dargestellt, die Ausführung wird von Linie zu Linie immer detaillierter. Das Dreilinienkonzept für die Endverbraucherprodukte ist ein Ergebnis des neuen Designs. Der Designprozess hat insofern zu einer klareren Strukturierung geführt.
Was haben Sie an der Farbwelt geändert und warum? Kerstin Gimenez: Die Farbe Blau stand schon immer für den Bereich Automotive. Diese wurde deshalb weiter geführt und noch stärker eingesetzt. Verschwunden ist dagegen die Farbe Gelb, die früher für die Werkstattverpackungen verwendet wurde. Kundenbefragungen ergaben, dass diese Farbe nicht mit Bosch verbunden wird. Wir haben deshalb darauf verzichtet.
Das weisse Band mit dem roten Logo ist zentral für die Markenbotschaft. Wie stellen Sie sicher, dass diese auf allen Verpackungen richtig zur Geltung kommt?
Achim Schwab: Die richtige Umsetzung des neuen Packaging-Designs auf unseren tausenden unterschiedlichen Verpackungen ist eine Herausforderung. Eine klare Richtschnur ist nötig. Parallel mit dem Design wurde daher ein Manual entwickelt. Dieses ist online verfügbar. Ein zentraler Teil des Manuals ist eine von uns entwickelte Formel, mit der die richtige Platzierung des weissen, umlaufenden Bandes auf allen unterschiedlichen Verpackungsformaten ausgerechnet werden kann. Darüber hinaus gibt es Grundlayouts für einen grossen Teil der verwendeten Verpackungen. Ebenso gibt es abgenommene, zentral hergestellte Farbreferenzkarten, um eine einheitliche Anwendung der Farben sicherzustellen. Brand Partner ist zudem auch jetzt noch involviert,
um die laufende Implementierung des Designs auf allen Verpackungen zu begleiten. Konkret gehen alle Layouts über unseren Tisch, ehe sie in den Ländern zur Produktion bei den jeweiligen Reproanstalten und Verpackungsherstellern freigegeben werden.
Thomas Breitinger: Wir haben bei der Designentwicklung darauf geachtet, dass die Umsetzung auch möglich ist. Ein Thema ist das Druckverfahren. Zusammen mit den Bosch-Werken und Verpackungsherstellern wurde vor Ort geprüft, welche Verfahren zu Verfügung stehen und welche Rasterungen möglich sind. Diese Erkenntnisse sind ins Design eingeflossen. Wer die genaue Umsetzung verlangt, muss auch dafür sorgen, dass die Vorgaben umsetzbar sind. Jetzt sind wir dabei, das Design konsistent in die Welt zu bringen. Das wird zwei bis drei Jahre dauern.
Wie sind die Reaktionen Ihrer Kunden auf das Design? Achim Schwab: Wir haben unsere Kunden schon etwas länger auf das neue Design vorbreitet. Der eigentliche Launch erfolgte auf der Messe Automechanika im September in Frankfurt, der wichtigsten Messe für das Geschäft mit Autoersatzteilen. Die Reaktionen waren durchwegs positiv. Wobei zu sagen ist, dass wir teilweise schon von Kunden aufgefordert worden waren, beim Design «mal etwas zu machen». Nachdem der letzte grosse Relaunch 1994 stattfand, war die Bereitschaft vorhanden, sich auf Veränderungen einzulassen. Doch das Neue muss dann auch gefallen. Das ist auf Ebene des Handels offensichtlich der Fall. Die Stärkung der Marke Bosch, der klar gegliederte Auftritt mit seiner technischen Ausstrahlung haben überzeugt. Wir sind sicher, dass das Design auch bei den Endkonsumenten ankommt.