11 Fragen an ... Gregory Carrier Kopie

Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf den Konsum von Champagner? Gregory Carrier, Managing Director Moët Hennessy Schweiz, über Luxusgüter und -Getränke in schwierigen Zeiten.

Interview: Thomas Breitinger, Geschäftsführer BrandPartner AG
Bilder: Pierre Vogel

Herr Carrier, Restaurants und Bars sind geschlossen, Ihre Konsumenten sind zu Hause: Wie geht es Ihnen, Ihren Mitarbeitenden – und den Umsätzen? Und wie geht es dem globalen Geschäft?

Seit Beginn der Corona-Krise befinden wir uns in einer schwierigen Situation. Die Schliessungen im Gastro-Bereich haben natürlich Auswirkungen auf unser Geschäft – dies wird allerdings partiell abgefedert durch unser Off-Trade-Geschäft. Der Verkauf in Supermärkten oder auch online steigt, da die Kunden nun vor allem zu Hause konsumieren. Ich möchte hier zudem gerne noch den «Celebration Moment» erwähnen. Im Jahr 2020 war es durch die gesundheitlichen Einschränkungen nur begrenzt möglich, wichtige Momente zu feiern. Und das hat natürlich Auswirkungen auf den Champagner-Konsum. Ausserdem reduzierte sich das Cross-Border-Shopping, wovon der Schweizer Re- tail grundsätzlich profitiert hat. Hinzu kommt, dass der Champagner-Konsum normalerweise ziemlich krisenresistent ist – Kunden konsumieren auch, wenn es der Wirtschaft nicht so gut geht. Was die einzelnen Brands angeht, haben sicherlich die bekanntesten in unserem Portfolio – Moët & Chandon oder auch Veuve Clicquot – die Krise besser überstanden. Für uns ein tolles Zeichen des Vertrauens der Konsumentinnen und Konsumenten in unsere Werte und die Stärken der Marken.

Wie ist Ihr Unternehmen Moët Hennessy Schweiz strukturiert? Wie viele Personen beschäftigen Sie hier?

Wir sind knapp fünfzig Mitarbeitende bei Moët Hennessy Schweiz und operieren als eine Distributionsfiliale. Daher liegt der Fokus stark auf dem Verkauf, dem Marketing und dem Backoffice. Der grösste Teil unseres Geschäfts in der Schweiz ist daher auf B2B ausgerichtet.

Bevor Sie zu Moët Hennessy stiessen, waren Sie gut fünfzehn Jahre für Procter & Gamble tätig. Im Interview des letzten «persönlich»-Heftes sagte Ralf Gehlen (Country Manager Schweiz), dass es eigentlich keinen Grund gebe, P&G zu verlassen. Was waren Ihre Beweggründe, zu Moët Hennessy zu wechseln?

Bei Procter & Gamble zu arbeiten, war eine super Erfahrung für mich – sonst wäre ich nicht fünfzehn Jahre geblieben –, es ist ein tolles Unternehmen. Ich habe grossen Respekt vor Managern, die ihre gesamte Karriere bei einem Unternehmen verbringen. Ich wiederum hatte nach einiger Zeit das Bedürfnis, andere Herausforderungen anzunehmen – und auch einen Bereich zu entdecken, bei dem die Handwerkskunst und das Erlebnis rund um den Luxus im Vordergrund stehen und in der DNA des Unternehmens verankert sind.

Moët Hennessy vermarktet ein Luxus-Portfolio von Champagner und Spirituosen (Wording Website Moët Hennessy Schweiz). Konsumenten geniessen sie zu speziellen Momenten. Ich vermute, dass Marken wie Veuve Clicquot, Moët & Chandon oder Dom Pérignon stark von Emotionen wie Erfolg oder Glamour getragen werden. Wie gelingt es, gleich mehrere Marken in ähnlichen Segmenten mit eigenständigen Identitäten zu versehen?

Innerhalb der ganzen LVMH-Gruppe wird schon seit jeher gelebt, dass jede Marke sehr unternehmerisch und unabhängig geführt wird. Und das ist tatsächlich auch in der Praxis so – darum schaffen es auch unsere Brands jeweils eine eigene Markenidentität zu haben, die sie klar untereinander in der Positionierung unterscheidet. So steht die Marke Moët & Chandon zum Beispiel ganz klar für den «Celebration Moment», Veuve Clicquot steht für Sonne, Luxus und Engagement – nicht zuletzt auch durch den BOLD Woman Award, der die besten Unternehmerinnen global und in der Schweiz seit Jahrzehnten auszeichnet – und Ruinart andererseits, hat sich vor allem auch in der Kunstwelt stark verankert. Kurz gesagt, unsere Marken haben ihre eigene Geschichte und ihr eigenes Erbe und vor allem sprechen sie unterschiedliche Zielgruppen an – und sind dennoch in das Gesamtbild der Moët Hennessy-Gruppe und des LVMH-Konzerns integriert. Meiner Meinung nach sind unsere Häuser die Definition von Luxus schlechthin, aufgrund ihres Erbes, ihrer mehr als 300 Jahre zurückreichenden Gründung und ihrer Schöpfer, die wahre Visionäre waren. Sie sind in der Ewigkeit verankert und ziehen Kunden an, die Teil der Geschichte sind, von Napoleon bis hin zu Roger Federer.

Mit Blick auf den Konsumenten: Ist Luxus eine Generationenfrage? Erleben beziehungsweise zelebrieren junge Konsumentinnen und Konsumenten (z. B. Millennials) Luxus auf gleiche Weise wie die Generation der Babyboomer?

Ich denke, dass die Definition von Luxus von Generation zu Generation variiert. Junge Konsumenten heutzutage möchten Erlebnisse haben und nicht Gegenstände besitzen. Sie sind weniger interessiert am Luxus als Statussymbol. Für uns heisst das dennoch, dass sie gerne unvergessliche Momente mit ihren Freunden und Familien teilen und Zeit zusammen mit ihnen verbringen – und da wären wir wieder beim «Celebration Moment ». Zudem ist es den Konsumentinnen und Konsumenten heute wichtiger denn je, dass sich die Marken, mit denen sie sich verbunden fühlen, sehr stark für die Umwelt engagieren oder aber eine besondere Ehrlichkeit ausstrahlen – und wir versuchen bei Moët Hennessy, innerhalb unseres Portfolios genau das zu erreichen, und zwar beispielsweise von der Entwicklung nachhaltiger Produktionsmöglichkeiten über Weiterentwicklungen bei den Verpackungsmaterialien bis hin zu Kooperationen mit Künstlern oder Designern, die sich für geeignete gemeinnützige Zwecke einsetzen – um nur einige Beispiele zu nennen.

Luxus hat viel mit Image zu tun. Die Zusammenarbeit von Dom Pérignon mit Lady Gaga oder Moët & Chandon mit der Modedesignerin Yoon sind nur zwei Beispiele aus Ihrem Konzern. Können Sie uns etwas über die Hintergründe, über Aufwand und Nutzen solcher Marketingaktivität erzählen? Hat dies nur Imagegründe? Oder ist der Nutzen messbar?

Die Zusammenarbeit mit Künstlern oder auch Persönlichkeiten ist bei unseren Häusern historisch verankert – bei Ruinart zum Beispiel reicht sie zurück in die Zeit der Unternehmensgründung, als Alphonse Mucha das damals erste Werbeposter für Maison Ruinart entwarf. Seither gehören künstlerische Kooperationen zur DNA der Marke Ruinart. Einerseits geht es uns dabei darum, am Puls der Zeit zu bleiben und somit auch am Puls der Konsumenten, andererseits aber auch um das Zusammenwirken von Tradition und Innovation. Dabei ist es Moët Hennessy aber auch stets wichtig, etwas zurückzugeben und mit dem Künstler durch die Zusammenarbeit einen geeigneten Zweck zu unterstützen.

Welche Rolle spielen die Social-Media-Kanäle in der heutigen Marketingstrategie? Werden sie zunehmend wichtiger oder gar dominierend? Oder sind TV und Print weiterhin wichtig?

Historisch gesehen, lag der Fokus bei Moët Hennessy Schweiz schon immer auf den Printmedien – eher weniger auf Fernsehen und nun immer mehr auch auf klassischen Onlinekanälen. In der heutigen Marketingstrategie gehören die Social-Media-Kanäle zur 360-Grad-Kommunikation dazu. Allerdings geht bei Moët Hennessy die Social-Media-Strategie zentral vom Hauptsitz aus, wenn es um unsere eigenen Kanäle geht – der Grossteil der Markenpräsenz auf Social Media wird daher von den jeweiligen «Maisons», den Headquarters sozusagen, gesteuert. Lokal arbeiten wir vor allem mit unseren Kunden, Key-Opinion-Leaders und Influencern zusammen, um unsere Produkte bekannt zu machen und die Ereignisse oder Events rund um unser Portfolio zu kommunizieren.

Luxus versus Nachhaltigkeit und Ökologie: Liegen diese Themen «quer zueinander», oder gelingt es Ihnen, diese zu kombinieren?

Für uns gehen diese Themen Hand in Hand – so wie es auch für die Konsumenten immer unvorstellbarer wird, dass sich ein Grosskonzern nicht verantwortungsbewusst verhält und weiterentwickelt. Für unsere Unternehmen ist Luxus eine subtile Balance zwischen Tradition und Moderne. Modernität, die gleichbedeutend mit Innovation ist, spiegelt sich in unseren verschiedenen Engagements für Nachhaltigkeit wider, wie zum Beispiel in der Kreation umweltfreundlicher Verpackungen für Ruinart oder in einer Partnerschaft von Moët Hennessy mit der Clean Cargo Initiative – die sich dem nachhaltigen, maritimen Transport widmet. Wir haben zudem auf der Vinexpo in Paris 2020 nur eines unserer vielen Engagements vorgestellt: Während der Eröffnungsrede unseres Forums über «Lebendige Böden» hat Moët Hennessy sein Engagement für einen nachhaltigen Weinbau offiziell bekundet. Diese Initiative stand im Mittelpunkt von Moët Hennessys Vision eines kontinuierlichen Fortschritts auf menschlicher Seite sowie in Bezug auf Wissen, Methoden und Technologie. Der Klimawandel, die Erhaltung der Böden, die Erhaltung von Wasser und Energie sowie die Nachhaltigkeit in den Lieferketten tragen zum Schutz der «Lebendigen Böden» bei. Bei dieser Gelegenheit machte Moët Hennessy drei Ankündigungen: Seit 2020 sollen alle Weinberge in der Champagne herbizidfrei sein, und die Abteilung wird die Winzerpartner dabei unterstützen, eine nachhaltige Zertifizierung zu erhalten. Moët Hennessy wird 20 Mio. EUR in ein Forschungszentrum in der Champagne investieren, das sich der wissenschaftlichen Forschung im Bereich des nachhaltigen Weinbaus widmet. Eine «Universität für lebendige Böden» wird geschaffen, um den Austausch von Wissen und bewährten Praktiken zu fördern. Ziel ist es, die Debatten über Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft für Wein und Spirituosen auf integrative Weise zu bereichern. Die Vision von Moët Hennessy und all ihren Maisons ist es, den Weg für zukünftige Generationen zu weisen, damit alle Mitarbeiter, Konsumenten und Winzer ihre Weine und Spirituosen auf eine konsequente und integrierte Art und Weise geniessen und entdecken können – und zwar im Respekt und Einklang mit der Natur.

Thema Verpackungsdesign: Gerade bei Ihren Marken erhält man den Eindruck von «grenzenloser Kreativität». Wie und wo entstehen diese Kunstwerke? Können Sie uns etwas über die Designentwicklungen erzählen?

Wenn wir zum Beispiel Ambush (Anmerkung: Modedesignerin Yoon) das bisher unveränderte Flaschendesign überarbeiten lassen, erhoffen wir uns, damit, wie auch mit anderen Assoziationen, neue Erkenntnisse über den jeweiligen Brand zu gewinnen und diesen weiterzubringen. Dabei kann es sich einerseits, wie erwähnt, rein um Designelemente handeln, aber auch um karitative Engagements, die für uns von Bedeutung sind. Andererseits investieren wir stark in unsere eigenen kreativen Entwicklungen. Im Jahr 2020 zum Beispiel stoppte Ruinart die Tradition der einheitlichen Verpackungen und leistete mit der neuen Second-Skin-Verpackung einen weiteren Beitrag zum Umweltschutz. Diese umweltfreundlich gestaltete Hülle schmiegt sich der emblematischen Form der Ruinart-Flaschen an und bewahrt bis zur Verkostung den vollen Geschmack des Inhalts. Durch diese revolutionäre Umgestaltung der Verpackung stellt Ruinart seinen Innovationsgeist für Nachhaltigkeit unter Beweis: Wo gestern noch ein gesetzlich vorgeschriebener Karton Sinn machte, gibt es heute eine vollständig recycelbare Hülle aus 100 Prozent Zellulosefasern mit weniger Gewicht. Als nachhaltige Innovation stellt die Second-Skin-Verpackung eine Rückbesinnung auf die Natur dar: Die Verpackung ist recycelbar und auf ein Minimum reduziert, ohne das Geschmackserlebnis zu verfälschen.

Gibt es eine herausragende, in ihrer Wirkung einmalige Marketingaktivität, über die Sie gerne sprechen möchten?

Da wir bei Moët Hennessy von fast 20 Marken sprechen gäbe es vor allem im Marketing, aber auch bei allen oben erwähnten Themen immer viele Beispiele. Dieses Jahr würde ich aber vor allem gerne den Markeninnovationsgeist bei Veuve Clicquot beziehungswiese die komplette Neuheit CHANDON Garden Spritz erwähnen: Denn Veuve Clicquot feiert 2021 mit der La Grande Dame 2012 Edition Lebensfreude und Optimismus. Die japanische Ausnahmekünstlerin Yayoi Kusama kreierte für La Grande Dame 2012 ein einzigartiges und farbenfrohes Kunstwerk mit dem Titel «My Heart that Blooms in the Darkness of the Night». Es symbolisiert Liebe und Wagnis. Das an eine Blume erinnernde Objekt trägt die ikonischen und für Kusama so typischen Polka Dots. Sie sollen in diesem Fall die Perlage des Champagners symbolisieren. Dieses L’Objet d’Art ist auf 100 Stück weltweit limitiert. Wie auch Madame Clicquot, steht Kusama für eine mutige Wegbereiterin, erfolgreiche Unternehmerin, der es trotz aller Widerstände gelang, ihre kreative Vision zu verwirklichen. Durch diese parallelen Lebenslinien ist die Beziehung zwischen dem Champagnerhaus und der Künstlerin bereits seit Jahren gewachsen. Pünktlich zum Beginn der Sommersaison hat CHANDON die Welt des Schaumweins neu definiert: Nach mehreren Jahren des Versuchs, das perfekte Rezept zu kreieren, sind wir stolz darauf, die internationale Markteinführung des Hauses CHANDON mit einem innovativen Produkt, dem CHANDON Garden Spritz, zu feiern. Diese Mischung aus dem CHANDON Brut- Schaumwein mit dem Extrakt der Valencia-Orange, vereint Authentizität, Simplizität und verleiht eine spritzig frische Würze, die auch ein junges Klientel anspricht. Die bitteren Aromen der Valencia-Orangensorte würdigen zudem seine argentinischen Wurzeln und das Erbe des Hauses. Um ein natürlich frisches und aromatisches Rezept zu kreieren, verwendete Ana Paula Bartolucci, Kellermeisterin und Schöpferin von CHANDON Garden Spritz, den vom Team in Mendoza hergestellten Schaumwein als Basis. Dieses Terroir ist absolut ideal für die Herstellung reiner, fruchtiger Weine und verkörpert den wahr gewordenen Traum von Visionär Robert-Jean de Vogüé, einst Präsident von Moët & Chandon. In den 1950er Jahren bewies er unvergleichlichen Mut und die Kühnheit, indem er in unbekannte Territorien vordrang, um neue Expertise zu gewinnen. Das Maison CHANDON selbst wurde in Argentinien gegründet, das seitdem Schaumweine mit einer einzigartigen Persönlichkeit produziert.


Moët Hennessy Schweiz

Gegründet in 1986 ist Moët Hennessy (Suisse) SA heute der führende schweizerische Distributionsdienstleister von (Luxus-) Weinen und Spirituosen. Das Unternehmen strebt die Entwicklung und die Verstärkung des Luxus-Portfolio von Champagner und Spirituosen auf dem Schweizer Markt an. Dazu gehören 19 Marken aus den Bereichen Champagner, Cognac, Whisky, Wodka, Tequila und Weinen. Das Unternehmen ist in Eysins (Kanton Waadt).